Wir laden Sie ein und heißen
Sie herzlich Willkommen.
Schon lange vor der gewaltsamen
Vertreibung der Sudetendeutschen in den
Jahren 1945/1946 gab es Verbindungen
zwischen Sandau und Arzberg - der letzte
evangelische Pfarrer aus Sandau soll Zuflucht
in Arzberg gefunden haben.
Auch Sportvereine pflegten gemeinsame
Freundschaften.
Die Arzberger Porzellanfabrik Schumann
unterhielt geschäftliche Beziehungen.
Und so fand im Juli 1946 für etwa 70
Sandauer aus dem Stadtteil Untersandau
die beschwerliche Flucht in Arzberg ein Ende.
Der wichtigste Grund für die Sandauer, in
Arzberg zu bleiben und hier eine neue
Heimat zu finden: Es gab Arbeit!
Als neue Arzberger Bürgerinnen und Bürger
hielten sie fest zusammen und bildeten
schon bald einen Arbeitskreis „Heimat-
gruppe Sandau und Umgebung“ mit dem
Ziel, die Heimat in lebendiger Erinnerung zu
bewahren.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass bei uns
seitdem keine Nachfolgegeneration die
Heimat, das Eigenheim oder die Wohnung
innerhalb von wenigen Minuten verlassen
musste, dabei das gesamte Hab und Gut
zurück blieb, um auf einen unmenschlichen
Fußmarsch in eine ungewisse Zukunft
aufbrechen zu müssen.
Wie schwer mag es sein, sich - aktuell im
Wohlstand lebend - in die Schicksale dieser
Menschen hineinzuversetzen.
Die Sandauer Heimatstube soll deshalb ein
Begegnungsort sein.
Im Jahr 1960 beschloss der Arzberger
Stadtrat unter Bürgermeister Ewald Drechsel
die Patenschaft der Stadt Sandau und der
einstigen Bewohner zu übernehmen.
Und so dient der erste Raum in unserer
Sandauer Heimatstube auch heute noch
dem Gedenken und dem Erinnern an die
alte Heimat Egerland.
In den Schauvitrinen im ersten
Abschnitt unseres kleinen
Museums befinden sich
•
die Wappen der Städte
Sandau und Arzberg,
•
Fotos vom Gründungs-
treffen der Patenschaft aus
dem Jahre 1961,
•
das Obersandauer
Wallfahrtskreuz,
•
Fotos von der Kapelle in
Markusgrün und Kneipelbach
•
und das Ernennungsdekret
des Fürsterzbischofs von
Prag, Paul Graf Huyn, vom
1.Juni 1917, in dem
Pfarrer Franz Lenz zum
Pfarrer von Sandau
bestellt wurde.
In weiteren Vitrinen befinden sich
•
die Patenschaftsurkunde Arzberg /
Sandau aus dem Jahre 1961,
auf Pergament geschrieben und in
Schweinsleder gebunden.
•
ein Konvolut aus Sandauer Dosen
Durch die "Sandauer
Dosen" erlangte der Ort
Berühmtheit.
Hergestellt mittels einer
um 1800 erfundenen
kunsthandwerklichen
Technik:
60 bis 70 fein
geschnittene Papier-
streifen werden mit
einem Kleister zu Papp-
mache geweicht und als
nasse Masse in Holz-
modeln gepresst, im
Ofen getrocknet,
geschliffen und poliert,
anschließend mehrfach
lackiert und auf einem
Drahtgitter mehrfach gebacken.
Traditionelle Volkstrachten sind das
unverzichtbare Detail eines jeden Landes
oder einer Region.
Unsere ausgestellten Trachten sind Original
Egerer- und Egerländer Trachten.
Darunter:
•
Brautkleid mit Schürze, Umhangtuch,
eine Tasche, ein Hut und ein herrlicher
Brautschmuck
•
Egerer Damen- und Herrentracht
die Egerer-Männertracht besteht aus
dem "Goller" (Jacke), dem "Hemmad"
(Trachten-/Hemd), der "Huasn" (Hose)
mit dem
"Gschirr" (Hosenträger), den
Strümpfen (Batzerlstrümpfe) und den
"Schouh" (Schuhe). Ebenfalls zur
Egerer Tracht gehören wahlweise ein
"Flodara" (Hut), das "Vetternkappl"
(Hauskappe), ein "Halstöichl" (Halstuch)
sowie ein "Taschentöichl" (Taschentuch).
Optisch besonders eindrücklich als Teil
der Tracht ist "d'Huasn" mit dem
"Gschirr" und den goldenen "Huasn-
oantoutara" (Knöpfe, Hosenantuer)
Das "Gschirr" (Hosenträger aus
schwarzem Leder) wird mit zwei
kleineren "Huasnoantoutara" am
Hosenbund befestigt.
Der dritte - große
- "Huasnoantoutara" befindet sich auf
dem breiten Mittelteil des "Gschirrs",
dem Brustlatz - den Hosenträgern der
bayerischen Krachledernen sehr ähnlich.
Die Egerer Männertracht unterscheidet
sich von der Egerländer Männertracht
in einem winzigen Detail, dem Kragen
der braunen Joppe: während die Egerer
Tracht zwar mit Revers, aber ohne
Kragen daher kommt, hat die
Egerländer Männertracht einen
Kragen zum Umschlagen und ein Revers.
Die farbenfrohe Egerländer Tracht
wurde 2022 zur „Tracht des Jahres
2022“ gewählt.
Streng genommen muss man von
Trachten sprechen, denn im Egerland
gab es keine einheitliche Damentracht.
Die Tracht jeder Gmoi hatte eigene
markante Details und unterschieden
sich teilweise erheblich voneinander:
die Chotieschauer Frauentracht z.B.
hatte eine Schnur am Rocksaum und
das Mieder rot verbrämt.
Traditionell war auch der Rock in
leuchtendem Rot und das Leiwl in
kräftigem Blau, darüber eine bunte
Schürze.
Zur Bischofteinitzer Frauentracht
gehörte als einzige ein Gürtel und ein
gestickten Lebensbaum auf dem
Mieder-rücken. Farbenfrohe Kopf- und
Schultertücher teils mit bunten
Blumenmotiven ergänzten den
„Festtagsstaat“.
Während die Damentrachten der
Egerländer sehr farbenfroh und bunt
daher kamen und zu festlichen Anlässen
oder dem Kirchgang getragen wurde,
trug die Braut zur Hochzeit ein
einfarbiges Kleid aus edler Seide, Brokat
oder Samt. In aufwändiger Handarbeit,
mit Brokatbändern, Klöppelspitzen und
Stickereien verziert, wurden prächtige
Schulter-, Kopf- und Umhängetücher,
Spenzer, Mieder, Schürzen und viele
weitere Accessoires gefertigt. Mit
besonderem Stolz trugen die
Egerländerinnen ihre, ebenfalls zur
Tracht gehörende, Gold-, Silber- Weiß-
oder „Flinnerlhaube“, ihren Silber-
schmuck, die mit komplizierten
Strickmustern handgestrickten
Strümpfe, die Schnallenschuhe, das
Handtaschl mit Perlenstickereien und
viele weitere Accessoires.
An der Wand hängen die Fotos verdienter
Landsleute:
Josef Urban, Oberlehrer
Er war nahezu 20 Jahre an einklassigen
Volksschulen tätig, die als Versuchs- und
Musterschulen von Zöglingen der Egerer
Lehrerbildungsanstalt besucht wurden. Josef
Urban oder wie er im Volksmunde hieß „da
Geig(h)a Pepp“ bemühte sich außerdem um
die Aufzeichnung der Egerländer Mundart
und seinen Eigentümlichkeiten.
Er hinterließ ein geistiges Erbe in Form von
25 handgeschriebenen Gedichtheften mit
fast 3500 Seiten.
Rudolf Zuber, Maler und Graphiker
Als weithin bekannter Künstler erwarb er
sich hohe Verdienste um seine Heimat. In
allen Räumen hängen von ihm Zeichnungen
und Gemälde. Als sein schönstes Kunstwerk
darf man wohl das Bildnis „Der Herrgott vom
Egerland“ bezeichnen.
Pfarrer Franz Lenz, Erzbischöflicher
Bezirksvikar und Notar sowie Monsignore.
Ein engagierter Seelsorger mit Volksnähe,
Gründer des Kindergartens. Gestapohaft in
Karlsbad und KZ Dachau.
Zuletzt Hilfsgeistlicher in Böhen (Allgäu). Ihm
verdanken wir die STIMMEN VON SANDAU.
Dr. Michael Urban,
Ehrenbürger der Stadt Sandau und Verfasser
der Geschichte der Städte Sandau und
Bad Königswart.
Dr. Edmund Jäger, Reichstagsabgeordneter
Langjähriger Bürgermeister und Ehrenbürger
der Stadt Sandau
Weitere Wandbilder:
•
die Dankurkunde für vorbildliche
Patenschaft vom 19.März 1988
mit den Unterschriften von Franz-Josef
Strauß, Ministerpräsident des Freistaates
Bayern und Schirmherr der Sudeten-
deutschen Volksgruppe und Franz
Neubauer, Staatsminister und Sprecher
der Sudetendeutschen Volksgruppe.
•
Vereinsfahne des Militärvereins
•
Vereinsfahne des Christlich deutschen
Burschenvereins…
•
und Vieles mehr.
Im zweiten Abschnitt unseres
kleinen Museums befindet sich das
Herzstück der Sandauer Heimatstube
eine nahezu vollständige Original
Egerländer Bauernstube
- von Landsleuten
liebevoll über die Grenze gerettet –
Möbel in handwerklicher Volkskunst mit
den typischen farbenfrohen und
aufwendigen Verzierungen gefertigt:
•
Egerländer Himmelbett
•
Egerländer Rundstühle – Josef Küß -
mit Esstisch
•
Truhen
•
Babywiege
•
ein Herrgottswinkel mit dem Sandauer
Wallfahrtskreuz
•
und unser Egerländer Trachtenpaar
Das Egerland mit Sandau und den
Kirchsprengeldörfern war überwiegend
landwirtschafltich geprägt und so stammen
viele historische Gegenstände aus
landwirtschaftlichen und handwerklichen
Bereichen.
Hiervon sind zahlreiche Tischlergeräte,
mehrere Hobel, eine alte Waage, eine Sense,
ein Dreschflegel, ein Melkschemel
und ein Butterfass aus dem 18. und 19. Jhd.
•
Holzschnitte und Olgemälde des
Sandauer Künstlers Rudolf Zuber
Ein Bild davon zeigt den Sandauer
Weberwinkel im Winter, so wie er vor der
Zerstörung durch das damalige CSSR -
Regime, war und wie ihn der Künstler
sah. Rudolf Zuber wurde am 18. August
1909 in Sandau 62 in einer der
Wohnungen des Gasthauses " Zum
schwarzen Adler " geboren und verstarb
am 7. Januar 1955 in München im Alter
von nur 46 Jahren. Seine Motive stammen
alle aus der Sandauer Gegend.
Modell von Sandau mit der St.
Michaelskirche, dem Markt
und den Häusern.
Gemeinsam wollen wir
an dieser Stelle derer gedenken,
die den beschwerlichen Weg in die Fremde
gegangen sind und heute nicht mehr leben.
Es sind die Menschen, denen wir die
Weitergabe der Egerländer Lebensart
sprachlich, künstlerisch, musikalisch und
auch kulinarisch verdanken.
Die Menschen, die nach all dem
Schrecklichen der Kriegs- und
Nachkriegsjahre hier in Arzberg einen
Neuanfang wagten und ihre neuen Wurzeln
und die Wurzeln ihrer Kinder in unsere Erde
gegraben haben.
Josef Plahl
– der Heraus-
geber der
„Stimmen von
Sandau“ ist am
12.Nov. 2024
verstorben.
Wir trafen ihn
zum letzten Mal
beim diesjährigen
Sandauer Heimattreffen an Michaeli in
Arzberg, der Patenstadt von Sandau, und
am Montag in seiner Heimatstadt dem
heutigen Dolni Zandov.
Josef war ein netter, fleißiger - ein
besonderer Mensch, der am 25.02.1938 in
Zeidlweid geboren wurde. Im Juni 1946
mußte seine Familie - vier Kinder, Eltern
und Großeltern - die Heimat zwangsweise
verlassen. Mit einem Ochsengespann ging
es über Bad Königswart nach Eger und von
dort im 40-Waggon-Gütertransport nach
Wiesau in der Oberpfalz von da weiter nach
Hessen, Weilmünster in ein Aufnahme- und
Übergangslager. Er war damals ein kleiner
Bub, 8 Jahre alt. Das hat ihn sehr geprägt.
Josef Plahl hat seine Herkunft nie
vergessen. Er hat sich viel engagiert – auch
in seiner neuen Heimat - und sich in vielen
Vereinen und Organisationen eingebracht.
Aber im Herzen blieb er ein Egerländer, ein
Heimatvertriebener, und seine Heimat war
Sandau.
Ihm ist vor allem mit zu verdanken, dass die
ehemaligen Sandauer noch heute nach fast
80 Jahren so zusammenhalten.
Die Brücke zur Heimat und das alle
Verbindende waren unsere vierteljährlich
erscheinenden „Stimmen von Sandau“.
32 Jahre, seit 1992 war Josef Plahl der
Herausgeber. Er hatte das Wissen und
Können.
Lieber Josef, Danke für alles! Ruhe in
Frieden. Unser Beileid und unser tiefes
Mitgefühl gilt seiner Frau Dorith und allen
Angehörigen und Verwandten. Josef, wir
werden dich nie vergessen!
Für Betrachter aus dem ehemaligen
Heimatort Sandau ist dieses Modell eine
kleine Erinnerungsreise; für alle anderen
eine Entdeckungsreise:
Eine Entdeckungsreise, bei der man spürt,
wie stark Heimatverbundenheit sein kann
und wie tief sich die Wurzeln in die
Heimaterde graben können.
Viele weitere Exponate gibt es in der
Sandauer Heimatstube zu entdecken.